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Der kleine Piekser  (aus: „
Der Albert“)
                       Der kleine Piekser (5:48)

…Das Wartezimmer vom Doktor war ziemlich leer. Nur eine schlechtgelaunte Hauskatze und
ein redseliger Papagei waren noch vor ihnen dran. „Was hat er denn?“, fragte Mama höflich
den Herrn, der den Vogelkäfig auf dem Schoß hatte. „Önön Spröchföhlör“, entgegnete dieser
ernst, „ör sötzt stöndög ön „ö“ ön, dömme Söche dös.“ Mama nickte verwundert. Dann legte
der Papagei wieder los:
„Ös jö gör nöcht wöhr. Öch spröche pörfökt, mönö Dömö!“ Obwohl Alberts Pfote ziemlich
schmerzte, musste er jetzt furchtbar lachen, was natürlich keiner entdeckte, weil er ja
ein Hund ist. Nur der Papagei bemerkte empört: „Wös söll dörön wötzög sön?“
Die eingebildete rot-weiße Hauskatze in ihrem Transportkörbchen verzog unterdessen
missbilligend das Gesicht und raunte etwas, was Albert allerdings nicht verstehen konnte,
weil er kein kätzisch kann.

Zuerst kam die Katze dran, dann der Papagei. Helfen konnte ihm der Doktor wohl nicht,
denn man hörte ihn beim Abschied noch krächzen: „Bös dömnöchst, Hörr Döktör!“ Oder
war das sein Herrchen? Schwer zu sagen.
„So, jetzt ist der brave Albert an der Reihe!“, rief die Sprechstundenhilfe ins Wartezimmer,
und der brave Albert schaute sich gründlich im leeren Wartezimmer um, ob er nicht doch
noch einen anderen braven Albert entdeckte könnte, der statt seiner den „kleinen Piekser“
kriegen könnte. Aber da war nicht einmal mehr eine Tanzmaus, die ihre Tanzschritte
vergessen hatte oder eine Fliege mit Summfehler.
„Ja Albert, dich habe ich aber schon lange nicht mehr gesehen.“, begrüßte ihn Dr. Ziegenbart:
„Beim letzten Mal hattest du dir aufs Ohr getreten und dich überschlagen. Erinnerst du dich
noch?“ Natürlich erinnerte sich Albert noch. Das war ja sooo peinlich gewesen. Musste der
Doktor jetzt auch noch davon anfangen?!
Albert wurde vom Arzt auf die Untersuchungsliege gehoben. „Wenn er jetzt auch noch von
meinem Übergewicht anfängt, gehe ich!“, dachte Albert, doch Dr. Ziegenbart betrachtete
bereits schweigend die Wunde an der Pfote, zuerst mit bloßen Augen, dann mit einem
Vergrößerungsglas. Albert hörte im Geist schon den altbekannten Satz „Das sieht aber
gar nicht gut aus“ und malte sich die schlimmsten Behandlungen aus, aber Dr. Ziegenbart
lächelte nur: „Ist ja halb so wild.“, nahm eine Pinzette und zog einen kleinen Dorn heraus.
Das ging so schnell, dass Albert gar nichts spürte.
Noch ein bisschen Desinfektionsmittel drauf getupft, fertig. Wie, das war’ s schon? Albert
konnte sein Glück kaum fassen und drehte sich schon einmal so, dass man ihn wieder von
der Liege heben konnte. Da fiel dem Doktor noch etwas ein: „Ach ja, die Impfung. Albert,
mach’ s dir noch mal kurz bequem. Jetzt kommt noch ein kleiner Piekser.“
Marlene kannte das schon mit dem kleinen Piekser. Sie hatte eine Woche zuvor auch eine
Impfung vom Kinderarzt bekommen. Vorher hatte sie genau so dolle Angst, wie der Albert
jetzt, aber hinterher hatte sie sich furchtbar geärgert, denn die blöde Angst war viel
schlimmer gewesen als der winzig kleine Piekser, den man kaum merkt. Sie beugte sich
zu Albert hinüber, hob sein großes Flatterohr an und flüsterte hinein: „Keine Bange, Albert,
tut nicht weh. Und nachher kriegst du zu Hause bestimmt eine Scheibe Mettwurst.“
Mettwurst? Hmmm, Albert liebte Mettwurst. Ob er eventuell auch zwei Scheiben…?
„Fertig!“ Dr. Ziegenbart gab Albert einen kleinen Klapps auf den Po: „Du bist erlöst,
mein Junge. Träumst du denn?“ Na so was, da hatte er den kleinen Piekser jetzt
gar nicht mitgekriegt.

Vorsichtig wurde er zurück auf den Boden und seine vier Pfoten gestellt. Toll, das tat ja
gar nicht mehr weh, wenn man drauf trat. Albert guckte verstohlen nach oben zu Mama.
Die musste das aber nicht wissen, jedenfalls nicht gleich. Ein bisschen Übertreibung konnte
schließlich nichts schaden, wenn man als Patient ordentlich umsorgt werden wollte.
So humpelte Albert also mit wehleidigem Winseln in angemessenem Abstand hinter Mama
und Marlene her ins Auto und später zu Hause zum Lieblingssessel. Die Beiden zwinkerten
sich nur grinsend zu, denn sie kannten ja ihren Albert. Und zum Trost für diese „gefährliche,
schwere Arztbehandlung“ gab es zwei Scheiben Mettwurst und viele Streicheleinheiten.
Sogar Papa musste heute Rücksicht auf ihn nehmen. Als er abends nach Hause kam und
ihn wie immer vom Sessel scheuchen wollte, der angeblich Papa gehörte, rief Mama: „Unser
Albert hat heute eine gaaanz schlimme Behandlung beim Arzt über sich ergehen lassen.
Ich glaube, er braucht heute dringend den Sessel, damit er sich bald wieder erholt.“
Und Papa nahm lächelnd die Zeitung und setzte sich aufs Sofa zur Mama.

 

 

 




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